Der Weg des grünen Wasserstoffs
Ein Artikel von Güllü Beydilli
Wasserstoff ist das Element, das in unserem Universum am häufigsten vorkommt. Es befindet sich überall um uns herum und lässt sich als klimaneutraler Energieträger nutzen. Damit könnte das leichte H2-Molekül zum Schlüssel einer erfolgreichen Energiewende werden. Das gelingt jedoch nur, wenn es sich dabei um sogenannten ‚grünen‘ Wasserstoff handelt.
Der Trend weg von fossilen Brennstoffen und hin zu erneuerbaren Formen der Energieerzeugung und -speicherung hält an. Die Weltbevölkerung wächst stetig und benötigt immer mehr Energie – besonders im Zuge der anhaltenden Urbanisierung und Digitalisierung unseres Lebens.
Auch das Umweltbewusstsein von Verbrauchern und Unternehmen hat sich verändert: Heute beschäftigen sich mehr Menschen mit den Auswirkungen des Klimawandels und äußern immer mehr den Wunsch nach klimaneutralen Alternativen für die Energieversorgung. In diesem Kontext wird oft ‚grüner Wasserstoff‘ genannt. Umweltfreundlich und ein Schlüssel für die erfolgreiche Energiewende soll er sein: Doch, was macht Wasserstoff eigentlich ‚grün‘?
Grüner Wasserstoff als Energiespeicher
Die Voraussetzung für grünen Wasserstoff ist die Herstellung mit Strom aus nachhaltigen Quellen. Um eine konstante und zuverlässige Stromversorgung aus grünen Energiequellen zu gewährleisten, muss der Stromüberschuss aus Windkraftwerken & Solaranlagen für die spätere Nutzung gespeichert werden.
Der Strom aus grünen Quellen wird zur Wasserelektrolyse genutzt, um Wassermoleküle zu spalten und Wasserstoff zu erhalten. Dieser Wasserstoff kann wiederum als Energiespeicher genutzt, in Tanks oder auch unterirdischen Höhlen gespeichert und über Pipelines, Tankschiffe oder Lkw transportiert werden. Durch die Wasserstofftechnologie können grüne Energieanlagen unabhängig von Umweltbedingungen genutzt und dadurch zuverlässiger werden. Die Wasserstofftechnologie bietet erneuerbaren Energieanlagen die Möglichkeit bei günstigen Witterungsbedingungen im Überschuss produzierte Energie zu speichern. Erneuerbare Energien und die grüne Wasserstofftechnologie begünstigen sich daher gegenseitig.
Damit kann die moderne Wasserstofftechnologie einen wesentlichen Teil zur erfolgreichen Energiewende beitragen. Doch wie genau funktioniert die Wasserelektrolyse und wie lässt sich die Energie in Form von Wasserstoff speichern, um sie später freizusetzen und ins Stromnetz einzuspeisen?
Wasserelektrolyse – so funktioniert’s
In einer Wasserelektrolyse-Anlage wird Strom durch Wasser geleitet und setzt damit die Spaltung der Wassermoleküle in ihre beiden Bestandteile, Wasser- und Sauerstoff, in Gang. Am Plus-Pol sammelt sich Sauerstoff an, steigt auf und entweicht in die Atmosphäre. Am Minus-Pol sammelt sich Wasserstoff an, der von dort aus abgefangen und gelagert werden kann. Die gespeicherte Energie aus dem Vorgang der Wasserelektrolyse, die sich nun in den Wasserstoffmolekülen befindet, lässt sich durch die Umkehrreaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff wieder freisetzen. Benötigt wird die Energie zum Beispiel bei der Herstellung von Methanol aus Stahlwerksemissionen für die chemische Industrie.
Carbon2Chem – Wasserelektrolyse im industriellen Maßstab
Da grüne Quellen wie Sonne und Wind nicht durchgehend in gleicher Intensität Energie produzieren, ist für die Versorgung mit grünem Strom eine effektive Speicherung nötig. Der zu günstigen Zeiten erzeugte Überschuss kann mithilfe von Wasserstoff gespeichert werden und so Strom aus erneuerbaren Quellen jederzeit verfügbar machen – ohne die Atmosphäre dabei mit CO2 zu belasten.
Mithilfe der Wasserelektrolyse ist auch thyssenkrupp auf einem guten Weg zu einer geringen CO2 Emissions-Bilanz. Unter dem Namen Carbon2Chem arbeiten die thyssenkrupp Expert:innen in Duisburg an der modernen Wasserstofftechnologie und ‚recyclen‘ die Abgase aus der Stahlproduktion in wertvolle chemische Grundstoffe. Denn mithilfe der Wasserstofftechnologie können Ausgangstoffe für verschiedene Industriesparten gewonnen werden.
Im Duisburger Carbon2Chem Technikum werden sogenannte Hüttengase mit Hilfe von Wasserstoff zu so genannten Synthesegasen weiterverarbeitet. Diese Synthesegase sind wertvolle chemische Rohstoffe, die als Vorprodukte für die Herstellung von Methanol, Ammoniak oder Polymeren dienen. Stoffe, aus denen wiederum Treibstoff, Düngemittel oder Plastik hergestellt werden kann. Das Resultat: CO2 wird weder in der Stahlproduktion noch in den chemischen Prozessen noch in die Atmosphäre abgegeben. Stattdessen wird es in etwas Wertvolles verwandelt.
Wie Wasserstoff die Chemieindustrie ein Stück grüner macht
Die Experten bei thyssenkrupp nucera haben die alkalische Elektrolyse so weiterentwickelt, dass sie auch für schwankende Stromversorgung aus grünen Quellen geeignet ist. Das ist deswegen ein wichtiger Entwicklungsschritt, weil herkömmliche Anlagen für die alkalische Elektrolyse eine konstant bleibende Stromversorgung rund um die Uhr benötigen.
Die innovative Anlage erzielt Systemwirkungsgrade von bis zu 80% Prozent. Das bedeutet schlichtweg, dass 80% der während der Elektrolyse zugeführten Energie in Wasserstoff umgesetzt werden können. Die Anlage ist somit für eine große und besonders effiziente Produktion von Wasserstoff ausgelegt. Hinzukommt der modulare Aufbau der Anlage, der eine beliebige Erweiterung einfacher macht als bei traditionellen Anlagen.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Energiewende
Orientiert am Pariser Klimaabkommen von 2015 hat sich thyssenkrupp das Ziel gesetzt, die eigenen Emissionen bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu wollen wir in unserer Produktion, bei unserem Energieverbrauch und dem Lebenszyklus unserer Produkte Emissionen einsparen oder Klimaneutralität erreichen. Die Science Based Initiative (kurz SBTi) hat diese Klimaziele von thyssenkrupp als wissenschaftsbasiert und realisierbar eingestuft. Damit sind wir eines von nur zehn deutschen Unternehmen, deren Klimaziele von der SBTi wissenschaftlich bestätigt sind.
Doch um Klimaneutralität zu erreichen – nicht nur in unserem Unternehmen, sondern in ganz Deutschland – benötigen wir deutlich mehr erneuerbare Energiequellen. Die derzeitige Kapazität an grüner Energie in Deutschland reicht jedoch nicht aus, um den aktuellen und zukünftigen Bedarf zu decken. So würde allein der Betrieb unseres Stahlwerks in Duisburg über 12 Monate aktuell alle in Deutschland zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energien benötigen. Es bedarf also auch politischer Regulationen, die erneuerbare Energiequellen fördern und eine Umstellung auf klimaneutrale Produktionsketten für mehr Unternehmen attraktiv machen. Zum Beispiel wäre es möglich, Wasserstoff in sonnenreichen Weltregionen herzustellen und per Tankschiff nach Europa zu bringen. Erste Initiativen hierzu gibt es schon.
In der Wasserstoffwirtschaft gibt es also noch viel Raum für Entwicklung und einen großen Bedarf an erneuerbaren Energiequellen – heute, aber insbesondere in Zukunft. Deswegen arbeiten wir bei thyssenkrupp daran, unsere Technologien stetig weiterzuentwickeln.