Zukunft der Energieversorgung: Kein Blick für morgen
Wie entwickelt sich das globale Energiesystem bis zum Jahr 2050? Auf diese schwierige Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Aber wir können alternative Entwicklungen beschreiben– genau das tun wir mit unserer Foresight-Serie. In unserem dritten Szenario hat ein allumfassender Wettbewerb das Konkurrenzdenken auf die Spitze getrieben. Jeder ist auf seinen kurzfristigen Nutzen bedacht – das gilt auch für den Energiesektor.
Wenn Wen Zhao ein Projekt anpackt, darf man ziemlich sicher davon ausgehen, dass er es vergoldet – zu beeindruckend sind seine geschäftlichen Erfolge in den letzten 20 Jahren. Im Jahr 2027 machte der der aus ehemals einfachen Verhältnissen kommende Geschäftsmann seine erste Million Yen – heute sind es viele Milliarden.
Wie er das geschafft hat? Indem er die aktuellen Trends auf allen wichtigen Märkten genau im Auge behält und stets mit kühlem Kopf handelt. Sein wichtigster Helfer auf dem Weg nach oben war aber etwas anderes – und zwar sein Verhandlungsgeschick.
Opportunistisches Verhandlungsgeschick statt langfristiger Strategie
Und so gehören Zhao heute auch einige Kohlekraftwerke in Zentralchina. Der Energieträger ist momentan extrem billig und verspricht zumindest für kurze Zeit hohe Profite. Dass das dem Klima schadet, ist Wen Zhao egal – denn er hat gelernt: Die inzwischen regelmäßigen Hitzewellen und Sturmfluten treffen immer die anderen, irgendwelche weit entfernten Inseln oder Küstenregionen, die wegen der um vier Grad erwärmten Atmosphäre keine Chance haben. „Pech gehabt“, denkt er und hat kein schlechtes Gewissen, wenn er aus seinem Büro auf die rauchenden Schlote seines Kraftwerks blickt.
Der Erfolg heiligt die Mittel
Im Gegenteil: Die Landwirte in seiner Region freuen sich dank der stark CO2– haltigen Luft über Rekordernten. Und weil der Geschäftsmann diese Entwicklung verstanden hat, hat er auch das Land gekauft und an die Bauern verpachtet. So macht er gleich zweimal Profit – mit dem Strom und den üppigen Pachterträgen. Sein neuestes Projekt verspricht neben hohen Gewinnen auch spektakuläre Bilder. „Unser künstlicher Vulkan“, erklärt er gerade seinem Aufsichtsrat, „wird die enorme Energie der Erdkruste nutzen.
„Einfach gesagt: Wir werfen große Sprengladungen in Vulkane und Erdspalten. Dann kommt es zu Vulkanausbrüchen, deren Hitze wir für die Stromproduktion nutzen. Oder so ähnlich – mit Technik kenne ich mich nicht aus. Alles Weitere steht in den Unterlagen, die vor Ihnen liegen.“ In drei Jahren werde es so weit sein, und schon jetzt freue er sich auf die gigantischen Rauchwolken, die selbst seine größten Kraftwerke in den Schatten stellen würden.
Alles für den Kunden
Von der Politik hat er wenig Widerstand zu erwarten. Da jeder gegen jeden kämpft und niemand mehr als ein paar Jahre vorausschaut, kann er für jedes Projekt neue Koalitionen mit Funktionären, Investoren und anderen Unternehmen schmieden. Besonders leicht wird das auch dadurch, dass es schon lange keine großen Konzerne mehr gibt. Stattdessen hat sich längs der Wertschöpfungsketten ein extrem fragmentierter Markt von Spezialisten entwickelt. Hier findet man immer jemanden, der sich an einem temporären Netzwerk beteiligen will – Hauptsache, es winkt ein guter Deal. Auf seinen Geschäftsreisen hat Wen Zhao gelernt, dass es überall so läuft. „Consumer First“, heißt es in allen Hauptstädten der Welt. Und warum sollte er dieses Spiel nicht mitspielen?
Blick in die Zukunft unseres Energiesystems
Natürlich kann die Welt in Zukunft auch ganz anders aussehen als in dieser Geschichte, die unsere Zukunftsforscher im Rahmen der Foresight-Arbeit zum Thema „Energy Systems and Greenhouse Gas Emissions“ entwickelt haben.
Als Innovationsmanager koordiniert der Physiker Dr. Andreas Meschede den konzernweiten Foresight-Prozess bei thyssenkrupp. Dabei entwerfen internationale Experten mögliche Szenarien der Zukunft, etwa zur Entwicklung der Wasserversorgung, den Städten von morgen oder der sich verändernden Arbeitswelt in der Produktion. So stellt sich der Konzern schon heute auf mögliche Entwicklungen in den kommenden Jahrzehnten ein.
Foresight-Prozess: wegweisende Kundenlösungen als Ziel
„Mit Foresight ordnen wir zunächst unterschiedliche Bilder der Zukunft, um sie in einem zweiten Schritt zu Szenarien zu erweitern“, beschreibt Andreas Meschede. „Am Ende haben wir so die Möglichkeit, wegweisende Lösungen für unsere Kunden zu finden.“
Als Koordinator des Foresight-Prozesses von thyssenkrupp entwickelt Andreas Meschede mit rund 160 Kollegen aller Geschäftsbereiche, externen Experten und Querdenkern Szenarien für das Leben, Arbeiten und Wohnen im Übermorgen. Die Themen sind vielfältig – von Megacitys und Mobilität über Landwirtschaft, Luft und Wasser bis hin zur Energie.
Das gilt auch für die Frage der Energieversorgung – ein Thema, das im Zuge des Klimawandels schon heute akut wird und nicht erst seit der „Fridays for Future“-Bewegung weltweit heiß diskutiert wird.
Zukunftsvisionen mit fachübergreifender Expertise
Das Foresight-Team entwirft seine Szenarien aber nicht als losgelöste Gruppe, die fernab des Konzerns agiert. Für die Foresight-Szenarien führte Andreas Meschede vielmehr das Know-how aus dem gesamten thyssenkrupp Kosmos zusammen: “Ich stelle zwar die Methodik zur Erstellung unserer Zukunftsszenarien zur Verfügung“, erklärt der Innovations- und Foresight Manager. „Aber die Inhalte, die Expertise und die Intuition steuern meine Kollegen aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen bei. Durch die Diskussion der verschiedenen Sichtweisen erschließen wir ganzheitliche Bilder, wie unsere Zukunft aussehen könnte – und leiten daraus ab, wie wir bei thyssenkrupp unseren positiven Beitrag zur Gestaltung dieser Zukunft leisten können.“